Seit altersher war die zuständige Pfarrkirche für die Bevölkerung von Poppelsdorf St. Martin in Bonn. Im Ort stand nachweislich bereits 1687 eine Fachwerkkapelle mit Kirchhof Ecke
Clemens-August-Straße / Sebastianstraße, die 1812 an gleicher Stelle durch eine Kapelle im Mischstil aus Romanik und Klassizismus ersetzt wurde, ein Steinbau aus dem Material der im selben Jahr
niedergelegten Martinskirche. - 1845 erwarb die Kapellengemeinde das kurfürstliche Wasserträgerhaus in der Clemens-August-Straße für einen nunmehr ständig in Poppelsdorf wohnenden Geistlichen. - Die
Kapelle reichte jedoch für die stetig wachsende Gemeinde schon bald nicht mehr aus. Nach Erwerb eines Kirchengrundstücks in der Kirschallee am Rande des damaligen Ortskerns wurde 1888 mit dem Neubau
eines Gotteshauses begonnen.
Architekt G.F. Langenberg, für seine Sakral- und Profanbauten im Stil des Historismus bereits im Bonner Raum bekannt, sah für die zu errichtende Poppelsdorfer Kirche aus finanziellen Gründen zwei
Bauabschnitte vor.
Die baugeschichtliche Entwicklung bis heute:
1888-1890: Erster Bauabschnitt: Chor mit Seitenapsiden, Querhaus, Langhaus und Seitenschiffe; 1908-1908: Zweiter Bauabschnitt: Erweiterung des Langhauses durch ein Joch, Seitenkapellen und Vollendung durch eine Turmanlage - ausgeführt durch Regierungsbaumeister Krings; 1914: Neue, sehr farbfreudige Innenausmalung größtenteils in Ornament- und Kassettenart; 1945-1946 Behebung der Kriegsschäden - In den folgenden Jahren: Uni-Anstrich im Innern mit wenigen farblichen Absetzungen, Abbau und Entfernung von Ausstattungen, z.B. Altar und Kanzel; 1975-1979 Bauliche Instandsetzung und Restaurierung nnen und außen; 2004-2005: Sanierung des Turmes; 2008-2009: Sanierung des Langhauses, Installation einer komplett neuen Beleuchtungs- und Mikrofontechnik
Langenberg konzipierte einen dreischiffigen Bau nach dem Basilikaschema in neoromanischen und neogotischen Formen. Für das Äußere verwendete er ziegelroten Verblendstein. Krings ließ den
ursprünglichen Plan weitgehend unberücksichtigt und vervollständigte den Bau durch eine Doppelturmanlage mit einem reich gezierten Glockenturm, einem kleinen Treppenturm, zwei seitlichen Kapellen und
einem Kapitelsaal.
Seine Architektur ist eine freie Weiterentwicklung historisierender Formen. Ausdruck hierfür ist u.a. die Verwendung von Buntsandstein, aufwendig gestaltet an der Schaufront, vor allem im
dreigliedrigen Portalbereich der reich skulptierten Vorhalle mit Evangeliensymbolen, Engel und Teufel über schmuckvollen Kapitellen.
Architektur
Im Innern liegt seitlich des großzügigen Eingangs- bereiches, über dem sich die von Granitsäulen getragene Orgelbühne befindet, die Mariä-Schmerzens-Kapelle. Im Mittelschiff tragen starke gedrungene
Rundpfeiler zwischen weiten spitzbogigen Arkaden zu den Seitenschiffen über Blattkapitelle schlanke Dienste, die Gurte und Rippen der vier querrechteckigen Joche aufnehmen. Über den Arkaden umzieht
ein dreiteiliges Blendtriforium die Lang- und Querhaus-, sowie die Chorjochwände. Die Vierung ist durch ein Sterngewölbe hervorgehoben. Ein ausgeprägter Triumphbogen trennt das Chorjoch von der
poligonalen Apsis. Die Nebenchöre sind dreiteilig geschlossen und dienen als Sakraments- und Taufkapelle. Vom östlichen Seitenschiff, durch eine Balustrade abgetrennt, liegt erhöht die Kapelle Maria
Königin. - Im gesamten Innenraum fallen die für Langenberg'sche Kirchenbauten typischen ziegelbe- lassenen Bau- und Gliederungselemente auf, z.B.: Gewölberippen, Gurte, Triumphbogen und Blend-
triforien.
Fenster
Von den ursprünglichen Fenstern sind nach Kriegseinwirkung noch erhalten die vier dreigeteilten in den Seitenschiffen: links Josephs- und Antonius- darstellungen, rechts Sebastianus- und Dreikönigen-
fenster. - Das Fenster mit drei Heiligen (von L. Baur) erinnert an St. Martin, Patron der früher für Poppelsdorf zuständigen Martinspfarre in Bonn; die Heiligen Isidor und Alexius bestimmte der
Kurfürst Clemens August als Patrone der Poppelsdorfer Schlosskirche. - In der Taufkapelle "Tauben-Trauben-Darstellung" und in der Sakramentskapelle "Fischmotive" (gestaltet von L. Baur). - Die
weitgehend originalen Fächerfenster im Obergaden zeigen "Davidsterne" (Altes Testament), die einen achteckigen Stern (Neues Testament: Christus als der achte Schöpfungstag) umgeben. - Die übrigen
Fenster, z.B. im Hauptchor und Querschiff, sind Ornamentfenster (von J. Strater und H. Linden).
Ausstattung
Die beachtenswerte Kirchenausstattung stammt mit einigen Stücken noch aus der alten Kapelle wie die Figur des Christus an der Geißelsäule, 18. Jh. und die barocken Reliquienkästen in der Nische des
linken Seitenschiffes. Ebenso der barocke Beichtstuhl und die kostbarste Skulptur der Kirche, eine edel geformte thronende Bischofsfigur in feierlichem Ornat aus dem 14. Jh., Holz und in nahezu
originaler Fassung; im Volksmund als heiliger Nikolaus bezeichnet, Künstler unbekannt. - In der linken Apsiskapelle / Taufkapelle ein achteckiger Taufstein von 1894 aus belgischem Granit mit
gewölbtem Messingdeckel. An der Stirnwand die Statue des römischen Märtyrers Sebastian, 17. Jh., Namenspatron der Kirche, nach dem letzten Krieg im Kunsthandel erworben. - Blickfang ist das
Hauptausstattungsstück im Chorbereich, die 1942 aus St. Maria im Kapitol / Köln erworbene wuchtige Kreuzigungsgruppe. Die in Pappelholz erstellte Arbeit (Schnitzer Elscheid) ist eine freie
Nachbildung der um 1230 entstandenen Triumphkreuzigungsgruppe der Stiftskirche in Wechselburg / Sachsen. Die kunsthistorisch bedeutende Darstellung des Gekreuzigten markiert den Übergang vom
romanischen Viernagel- zum gotischen Dreinageltypus. In den einst die Kreuzigungsgruppe tragenden Balken waren auch die zwölf Apostelköpfe des Querschiffes eingearbeitet. - Der jetzige marmorne
Hauptaltar, aus zwei ehemaligen Seitenaltären zusammengefügt, trägt eine neue Mensa. Ambonen und Chorgestühl, 1925 für die Benediktiner Abteikirche Maria Laach geschaffen, erhielt nach Umgestaltung
des dortigen Chorraumes die Pfarrei St. Sebastian 1958 als Geschenk. - Die achteckige Sakramentsstele aus Marmor (von H. Gernot) trägt das mit acht Granitsäulen geschmückte Tabernakel, dessen Wände
acht Bronzeplatten zieren. Die Türplatte zeigt in einer Rundscheibe Christus als Opferlamm, von anbetenden Engelköpfen, in Granit gemeißelt, umgeben. Teufelsfratzen tragen den Stipes (Ablage) am
Stelenschaft. Symbolisch bedeutet die Acht die mit der Auferstehung Christi beginnende neue Schöpfung.
Architekt Langenberg entwarf auch die Innenausstattung wie Hauptaltar und Kanzel. Erhalten blieben Kommunionbänke, heute als Frontseite der ersten Bänke genutzt, die farbig gefassten
Evangelistenfiguren vom früheren Hauptaltar in der Sakramentskapelle und die Beichtstühle im Querhaus. - Die beiden Ölgemälde von J. Leiendecker 1854 aus der alten Dorfkapelle verweisen in der
Darstellung des Mantel teilenden hl. Martin auf den Pfarrpatron der früheren Pfarrkirche St. Martin / Bonn und die Pestheiligen Sebastian und Rochus, die Patrone der einstigen Kapellengemeinde.
Ebenfalls aus der alten Kapelle die barocken Figuren hl. Rochus und hl. Johannes von Nepomuk im rechten Seitenschiff. Dagegen sind die Statuen im linken Seitenschiff hl. Joseph und Maria auf der
Mondsichel Erwerbungen um 1890. - Die 14 Kreuzwegstationen aus Terracotta wurden 1892 im Kunsthandel erworben. - Die naturbelassenen Figuren hl. Antonius und hl. Joseph von J. Fink um
1900.
Die neuen Kirchenbänke werden von ursprünglichen Seitenwangen begrenzt. In der Hochkapelle "Maria Königin" rechts steht hinter einer Balustrade mit Granitsäulen der einzige noch erhaltene Marmoraltar
aus der Erbauungszeit. Auf ihm eine Madonna mit Kind, Krone und Zepter; Eichenholz, 1891 von Joka. Während der Weihnachtszeit wird in dieser Kapelle die beachtenswerte Krippe aufgestellt, mit
wechselnder Darstellungsfolge. - Rückwand des rechten Seitenschiffes hl. Margareta von W. Tophinke 1950 aus Edelkastanie des Brühler Schlossgartens.
Die Seitenkapelle "Mariä Schmerzen" unter dem Turm zeigt in der Apsis die seltene Darstellung einer Mantelmadonna als Pieta, 18. Jh. Lindenholz, aus der alten Kapelle. Aus ihr auch die schlichten
barocken Bänke. - An den Seitenwänden Gedächtnistafeln und Erinnerungsbuch an die Gefallenen der Kriege 1866 bis 1939/45. - In der Apsis drei gleich große Fenster: Mitte Taufe Jesu im Jordan, links
und rechts dazugehörige Symbole in von Rankenwerk umgebenen Medaillons.
Die Orgel von 1963 der Firma Klais / Bonn zählt zu den wertvollsten im Bonner Raum.
Text: Heribert Faber + (verstorben 2019)
Fotos: Karl-Heinz Kron
Anstelle einer zusammenhängenden Schilderung über die Symbole und ihre Deutung in der Pfarrkirche von Poppelsdorf erscheint für den Leser oder Betrachter eine mehr aufgelistete Art der Darstellung
und Erklärung geboten.
Nach Betreten des Gotteshauses und einem kurzen Überblick aus dem inneren Eingangsbereich in den Gesamtraum lässt sich der Symbolgehalt des Kirchenraumes und der Ausstattung mit einem Rundgang
erfahren. Verständlicherweise kann es sich bei der Vielfalt symbolischer Dinge aus Platzgründen in dieser Schrift nur um eine Auswahl ohne Rangordnung handeln. Symbole sind Bilder oder Zeichen, die
einen Sinn, eine Idee veranschaulichen, sowie etwas Geistiges, Unsichtbares darstellen. Mit Betreten der Kirche kommt der Besucher zunächst in ein großes Entree, eine Art Vorhalle unter der
Orgelempore. Es ist der Übergangsbereich von der Außenwelt zum eigentlichen Gotteshaus, gedacht als Ort der Ruhe und Sammlung. Die vier Rundpfeiler weisen an ihren Basen und Kapitellen neben
verschiedenen Dekorationen durch ihre Tierdarstellungen auf Gottes Schöpfung hin: Bodentiere an den Baser und Flugtiere an den Kapitellen. An diesen befinden sich auch Masken, die der Abwehr des
Bösen gelten. Die seitlich im Eingangsbereich angebrachten Weihwasserbecken mit ihrem in der Osternacht gesegneten Weihwasser sollen den Eintretenden an seine Taufe erinnern. So wie er sich mit dem
Weihwasser bekreuzigt, so ist es ihm als Täufling in Kreuzesform über das Haupt gegossen worden.
Aus dem Vorraum gelangt man in das eigentliche Kircheninnere, dem Kirchenschiff, auch Langhaus genannt. Die Bezeichnung leitet sich davon her, dass die Kirchenväter die Gemeinschaft der Glaubenden
als Schiff bezeichneten, das die Gläubigen aus dem Sturm der Zeit rettet. Daher wird auch die Arche zum Sinnbild der Kirche. In größeren Kirchen hat das Hauptschiff oft zwei Seitenschiffe und endet
somit in drei Chöre mit drei Apsiden (gewölbte Ausbuchtung hinter dem Altar).
Das Hauptschiff wird meist durch ein Querschiff (auch Querhaus) durchbrochen und bildet so eine Kreuzform. Man kann es so deuten: Zusammen mit Chor und Apsis stellt das Ganze im Grundriss Christus am
Kreuz mit ausgebreiteten Armen dar. Der Chor ist durch einen markanten Triumphbogen, Altar und Kreuz in seiner Bedeutung herausgehoben. Der Name leitet sich von den Sängern ab, die früher in der Nähe
des Altares standen. Meist wird zuerst der Chor gebaut, damit man die Messe feiern kann. Die Altardeckplatte, Mensa genannt, dient vor allem als Stätte der Messfeier. Sie ist außer den
Gottesdienstzeiten meist bestückt mit zwei Kerzen, die symbolhaft für das Alte und Neue Testament gelten.
Die vier Maskenkonsolen unter den schmalen Halbsäulen an der Apsiswand im Umgangsbereich hinter dem Hauptaltar sollen das Böse abschrecken. Ebenfalls im Altarbereich, in Nähe der Sakramentsstele,
befindet sich das ewige Licht in einem roten Glasgefäß. Es weist den Beter darauf hin, dass im Tabernakel, dem Aufbewahrungsort für das Allerheiligste, sich geweihte Hostien befinden. Zugleich ist es
auch Symbol dafür, dass Gottes Licht auf Erden ewig brennt. Das Dunkel der Welt ist durch Gottes Gegenwart immer gebrochen.
Die hinter dem Altar stehende Kreuzigungsgruppe besteht aus drei Personen, Jesus, Maria und Johannes. Das Kreuz selbst spiegelt die Trinität (Dreifaltigkeit) Gottes wieder: Der Gekreuzigte, darüber
die Taube als Sinnbild des Heiligen Geistes und über dem Ganzen die Hand Gottvaters mit hinweisendem Finger: „Das ist mein geliebte Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe.“
Links und rechts neben der Kreuzigungsgruppe ist je ein siebenarmiger Leuchter aufgestellt. Dieser geht auf das Judentum zurück. Moses hatte einen solchen Leuchter für das heilige Zelt anfertigen
lassen. Die Sieben bildet sich aus der Drei und der Vier. Wenn die Drei für das Göttliche steht und die Vier für die Welt, vereint die Sieben Himmel und Erde. Am 7. Tag ist das Werk der Schöpfung
vollbracht. Sieben gilt auch für unendlich viel, zum Beispiel 7 x 70 Mal soll man nach den Worten Jesu seinem Bruder verzeihen.
Auf beiden Seiten neben dem Altar befindet sich das Chorgestühl mit einer Pfaudarstellung. Der Pfau in seiner Schönheit ist der „Himmel“ der Seligkeit, des Glücks. In der frühen Kirche war man der
festen Überzeugung, das Fleisch des Pfaues verfaule nicht. So wurde der Pfau zum Symbol der Auferstehung und der Unverweslichkeit der Leibseele.
Auf dem Ambo (Lesepult) der Evan–gelienseite verweist ein Adler mit seinem Tiersymbol auf den Evangelisten Johannes. Der Adler steht für die geistige Kraft des Menschen.
Die achteckige Sakramentsstele im rechten Seitenchor trägt den mit acht Granitsäulen geschmückten Tabernakel, dessen Wände acht Bronzeplatten zieren. Symbolisch bedeutet die Acht die mit der
Auferstehung Christi beginnende neue Schöpfung. Die Türplatte zeigt in einer Rundscheibe Christus als Opferlamm, von anbetenden Engelköpfen umgeben. Teufelsfratzen tragen den Stipes ( Ablage) am
Stelenschaft. Der Teufel ( das Böse) ist somit erniedrigt und besiegt.
Die Köpfe der Apostel (gr. Gesandte) an den Stirnseiten des Querhauses gelten als Zeitzeugen und erste Verkünder des Evangeliums. Ihre Zwölfzahl soll auch die Zahl der zwölf Stämme Israels
repräsentieren.
Abschließend sei noch einiges zur Zahlensymbolik angeführt. Die Zahl Drei galt schon bei den Griechen als Symbol der Gottheit. Im Zeitalter des Barocks wird das Dreieck Symbol für den dreifaltigen
Gott. Die Drei gilt schlechthin für das Besondere und Außergewöhnliche. Aus der Vielzahl hierzu ein paar Beispiele: Die Heilige Familie bestand aus drei Personen, drei Weise besuchen den Neugeborenen
- Maria und Joseph suchten drei Tage lang ihren Sohn. Nach dreimaligem Verhör erlitt Christus mit zwei Verurteilten den Kreuzestod. Seine Auferstehung erfolgte am dritten Tag. Die Zahl Vier
symbolisiert unter anderem die Welt, die vier Himmelsrichtungen, die Einteilung der Menschen in vier Charaktertypen. Man spricht von den vier Elementen Wasser, Feuer, Erde und Luft. Vier Evangelisten
schrieben das Neue Testament. Auch der Name Adam besteht aus vier Buchstaben. Der Symbolgehalt der Kirchenfenster in Sankt Sebastian ist eine gesonderte Darstellung wert.
Heribert Faber + (verstorben 2019)